Sprachführer Ruhrgebietsdeutsch

Aalskuhle

  • plumpsklo-artige Sickergrube der Revier-Antike, Vorgängerin der Kanalisation

  • heute meist als Vergleich bei strenger Geruchsbelästigung

  • »Inne Bude müfft dat wie inne Aalskuhle.«

Aalscheppe

  • 1) langstielige Kelle; mit ihr werden die Sedimente aus der »Aalskuhle« geschöpft, um im Garten oder auf dem Feld als Dünger eingesetzt zu werden

  • 2) Synonym für Knüppel oder Schlagstock (»Kriss gleich ein mitti Aalscheppe aufen Dassel.«)

  • 3) (auch: »Scheppe«) Schlägermütze (»Nimms wohl de Aalscheppe runner, wennen Diener machs.«)

abdackeln

  • traurig oder enttäuscht weggehen

  • »dackel ab« – Aufforderung, sich zu entfernen; nicht so schnell wie »verpiss dich«

abdampfen

  • weggehen, abhauen

  • meist in Zusammenhang mit einer Aufforderung, sich zu entfernen ("Dampf ab!")

  • stärker als "Dackel ab!"

abdrücken

  • Geldschulden mehr oder weniger unwillig begleichen

  • meist in Verbindungen mit Ruhrgebiets-Geld-Synonymen (»Patte abdrücken«)

  • gerne als ernst gemeinte Aufforderung zur Schuldenbegleichung

  • (»Drück bloß fix die Kohle ab!«

abfeiern

  • sich durch Schaffung von Scheinereignissen in der örtlichen Presse selbst belobhuldigen (»Wennse uns nich abfeiern, tun sechs Mann von unsern Verein dat Käseblatt abbestellen.«)

  • »sich abfeiern lassen« – starke Belobhuldigung der soziologisch exakt festgelegten Honoratiorenkaste des Ruhrgebiets durch die willige Ortspresse

  • »An jeden Montach lassen sich Berni, unsern Bürgermeister, den Obergedönsrat und den Vorsitzende vonne Bank mit so Plauzenbildkes orntlich abfeiern.«

abfüllen

  • jemanden in den Zustand hochgradiger Volltrunkenheit bringen

  • »abgefüllt sein« – Zustand, in dem die Wahrnehmung der Realität nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich ist

abgelatscht

  • (auch: »abgelascht«) nach langer körperlich anstrengender Arbeit völlig erschöpft und sehr ausgelaugt sein

abgezuppt

  • durchtrieben, sehr erfahren

  • »en Abgezuppten« – durchaus respekt-volle Bezeichnung einer Person, die sich schlitzohrig-schlau und kaltlächelnd durch schwierige Lebenssituationen manövriert

abglucksen

  • verschwinden, abhauen

  • zumeist als unfreundlicher Befehl (»Glucks ab, ey!«)

  • nicht so beleidigend wie »dackel ab«

abklabastern

  • eins nach dem anderen der Reihe nach aufsuchen, um etwas zu finden; das ermüdende und zeitaufwändige Suchen bleibt erfolglos

abklappern

  • systematisch suchen

  • im Gegensatz zu »abklabastern« von Erfolg gekrönt

  • »Hab zwanzich Läden abgeklappert, bis ich ne Buxe in achtenfuffzich gefunden hab.«

abknapsen

  • sparen

  • durch mühsamen Verzicht Geld erwirtschaften, mit dem man Schulden tilgen muss, das aber im Familienetat eigentlich für andere Ausgaben vorgesehen ist

  • »Für dat Plüschsofa auf Kubitschko knaps ich unser Omma jeden Monat wat von ihre Rente ab.«

abknöppen

  • jemandem mit List und Tücke Geld oder einen Wertgegenstand wegnehmen

  • der »Abknöpper« reklamiert ein moralisches oder juristisches Anrecht

abledern

  • (ähnlich: »abseifen«) besiegen, übertrumpfen. Ausdruck für einen deutlichen Sieg bei sportlichen Begegnungen.

  • »Unsere Jungs ham die Rotweißen so richtig abgeledert?«

  • jemanden verprügeln

  • jemanden betrügen

abnippeln

  • sterben

abplauzen

  • auf dem Sofa rumhängen und sich dabei den Bauch mit fettigen Nüssen und anderen Kalorienbomben, den Kopf mit Pilsgetränken vollhauen

  • typische Beschäftigung im Ruhrgebiet zum Abbau vorhergegangener Stresssituationen

Absacker

  • letztes Getränk nach einem kulturellen Erlebnis

  • »noch en Absacker nehmen« – Aufforderung, die auf die Verarbeitung und Diskussion dieses Erlebnisses in entspannter, alkoholträchtiger Umgebung, z. B. in einer Gaststätte, hinweisen will

absäbeln

  • übereiltes Abschneiden von nur scheinbar überflüssigem Material

  • (»Mich hamse de Zotteln abgesäbelt, seh aus wie son Mecki.«

abschleppen

  • etwas mitnehmen, mit nach Hause nehmen

  • »ne Tussi abschleppen« – Überzeugung des Mannes, das Herz einer Frau und ihre Bereitschaft gewinnen zu können, sich enger mit ihm einzulassen

abseifen

  • (ähnlich: »abledern«) besiegen, übertrumpfen. Ausdruck für einen deutlichen Sieg bei sportlichen Begegnungen.

  • Ursprung wohl aus dem Bergbau, wo sich nach Schichtende die Kumpels beim Duschen den Rücken schrubbeln.

  • »Wie kann man sich aufm eigenen Platz so abseifen lassen?«

abseilen

  • sich einer bevorstehenden, möglicherweise unangenehmen Tätigkeit entziehen, zu der man beruflich oder privat eigentlich verpflichtet ist

  • »hab mich toffte abgeseilt« – betont die Cleverness dieses Vorganges

Alsche

  • (auch »Olsche«) recht wertfreie Umschreibung für »ältere Frau«

  • nicht so herablassend wie »Olle«

ambach

  • meist in der Verbindung »Wat is ambach?« – Was ist denn hier los?

andötschen

  • etwas so beschädigen, dass eine deutliche Spur hinterlassen wird, z. B. ein blaues Auge bei Menschen (»Dötsch«) oder eine Beule beim Auto (»Dölle«)

  • stärker als »antitschen«

angraben

  • (ähnlich: »baggern«) anmachen;

  • versuchen, mit einem anderen in engeren Kontakt zu treten, wobei meist der Mann als Initiator auftritt

  • Vorstufe von »abschleppen«

anhauen

  • jemanden ohne Umschweife um einen Gefallen bitten

  • »um Knete anhauen« – jemanden bitten, Geld zu leihen

ankötteln

  • sich bei einer vorgesetzten Person beliebt machen, einschmeicheln

  • oft als Vorwurf benutzt von dem, der sich diesem Verhalten nicht anschließen will

  • »Hass dich bei den Präses angeköttelt, bis da mit dein Kopp auf dat Braune stößt.«

ankrämmeln

  • »sich einen ankrämmeln« – zielstrebig Alkohol zu sich nehmen, um die Realität hinter sich zu lassen

  • kein Frusttrinken

  • im Gegensatz zu »verlöten« nicht vorrangig das Konsumieren von Schnaps, doch ebenso losgelöst

anpesen

  • beschimpfen; stärker als »anpflaumen«

  • »zurückpesen« – sich gegen einen Vorwurf energisch zur Wehr setzen

  • (»Wie der Macker mich anpflaumt, hab ich ihn ganz schön ein zurückgepest.«

anpflaumen

  • kurzzeitig beschimpfen, ohne dass es allzu laut wird und zu einem allzu langen Wortgefecht kommt

  • harmloser und gemäßigter als »anbölken«

anpieseln

  • sich unterwürfig, aber mit Strategie jemandem nähern, um einen Vorteil herauszuschlagen

  • unauffälliger und viel geschickter als bei »ankötteln«; der »Anpiesler« bewertet sein Tun als strategisch und moralisch angemessen

anspitzen

  • 1) auffordern, etwas schnell zu erledigen (»Hab den Köttel angespitzt, datter die dat Dingens klaut.«)

  • 2) jemandem eine Rüge erteilen (»Musst ihn ers anspitzen, bevor er inne Gänge kam.«)

anströppen

  • (Gegenteil: »ausströppen«) sich anziehen

  • betont unterschwellig die Hastigkeit des Tuns (»Muss mich nur noch fix anströppen, dann geht los.«)

Antek und Frantek

  • für das Ruhrgebiet das, was Tünnes und Schäl für Köln sind

  • Antek und Frantek sehen sich wieder – zum ersten Mal seit zehn Jahren. Antek zu Frantek: »Ey, Frantek, wo warste denn die ganze Zeit?« – »In Knast, weil hab en Mann bestochen!« – »Und für dat hamse dich zehn Jährkes aufgebrummt?« – »Nix ham bestochen mit Knete, ham bestochen mit Pittermesser!«

antitschen

  • leicht berühren, aber trotzdem eine Wirkung hinterlassen

  • meist bezogen auf geringfügige Blechschäden bei Autounfällen, bei denen eine »Dölle« hinterlassen wird

Apparillo

  • unförmiger, großer Gegenstand

  • oft im Zusammenhang mit einem Superlativ, der die Unfähigkeit einer exakten Beschreibung in übertriebenem Maße hervorheben will

  • »Den Apparillo von E-Mac sah aus wie wenner vonne Venus.«

  • bei Bezeichnung eines menschlichen Wesens ähnlich »Eschek«

Appelkitsche

  • (auch: »Kitsche« oder »Gitsche«)

  • 1) Reste eines abgegessenen Apfels

  • 2) ironische Umschreibung eines von Form, Ausstattung und auch Größe unmodernen Gefährtes

  • »Unser Vadder düst immer noch mit seine Appelkitsche von anno tobak rum.«

Arschgang

  • Angst

  • Angstzustände; doch nicht so stark wie "Fracksausen"; stärker als "Muffe"

Asche

  • Geld

  • »keine Asche inne Tasche, keine Butter für dat Futter« – wehleidiger Ausspruch kurz vor Monatsende bzw. vor dem Lohntag

asselig

  • (ähnlich: »usselig«) schmutzig, unsauber

  • bezieht sich besonders auf den Zustand von Haaren und Kleidung oder die Körperdüfte

  • »Sonne asselige Tüppe würd ich noch nimma en Tempo leihn.«

aufkröppen

  • Widerstand leisten gegen eine getroffene Entscheidung

  • das Missfallen zeigt sich Körpersprache und Stimmlage

ausgelutscht

  • Zustand großer Ermüdung

  • stärker als »abgelatscht«

  • »Ausgelutschten« – Person, die es trotz aller Bemühungen nicht geschafft hat, zu Erfolg zu kommen, und bereits deutlich erkennbar einige resignative Züge zeigt

auskoddern

  • sich Frust von der Seele reden, wobei Zuhörer in einer passiven Rolle bleiben

  • »Letzte Nacht hatter sich bei mich mit en Kasten Köpi über den ganzen Schlamassel ma so richtich ausgekoddert.«